Titelblatt einer musikalischen Auslese.
Das Rheingold - Erste Szene.
Richard Wagner
Richard Wagner
Titelblatt einer musikalischen Auslese.
Auteur : FANTIN-LATOUR Henri
Lieu de conservation : Palais des beaux-arts (Lille)
site web
H. : 30,5 cm
L. : 22,5 cm
Bleigriffel.
Domaine : Dessins
© Photo RMN - Grand Palais - J. Quecq d'Henripret
00-019017 / Inv.W.1938
Das Wagnersche Genie
Date de publication : Mars 2016
Auteur : Marie-Pauline MARTIN
Wagner: Eine Aura über Zeit und Grenzen hinweg
Wagner hat die Malerei offensichtlich nicht sehr geschätzt. Sie ließ ihn „im Grunde vollkommen kalt“ (Thomas Mann). Liegt der Grund darin, dass die Malerei der visionären Vorstellungskraft des Komponisten zu enge, starre und materielle Grenzen setzt? Angesichts der Darstellungen zahlreicher, insbesondere französischer Künstler besteht an dem visuellen Charakter der Wagnerschen Werke kein Zweifel. Weit über Bayreuth und Wagners Tod im Jahr 1883 hinaus brachte die Aura des Meisters in Paris zahlreiche Enthusiasten hervor, machte seine Opern zu Bühnenerfolgen und führte im Jahre 1885 sogar zur Gründung einer Revue wagnérienne
Wenn Pinsel und Farben sich mit dem Wagnerschen Genie messen
Der Wagnerismus hat zunächst nur ein Gesicht: das des Komponisten. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verbindet sich der Geniekult automatisch mit dem Gesicht des Komponisten. Dies erklärt zum Beispiel die Eile, mit der Renoir 1882 Wagner um eine Begegnung bittet, um sein Porträt malen zu können. Das Resultat dieser sehr frühen impressionistischen Aneignung der germanischen Ikone enttäuscht den Musiker jedoch, der für die künstlerischen Innovationen seiner Zeit nur wenig empfänglich ist. Das stark zur Seite gedrehte Gesicht, der in die Ferne gerichtete und verträumte Blick, die weich gezeichneten Gesichtsteile und die blaue und rosa Farbgebung stellen in der Tat ein liebenswürdiges und menschliches Gesicht dar. Durch die Errichtung des Wagner-Mythos verwandelt sich das Porträt um die Jahrhundertwende schon bald zur Ikone. De Groux schematisiert daher die Silhouette Wagners, um nur die Formen zu behalten, die den Willen zum Handeln und den visionären Geist zum Ausdruck bringen: Ein autoritäres und herrisches Profil, mit wenigen Pinselstrichen ausgeführt, erstrahlt über Zeit und Raum vor einem monochromen, schwarzen Hintergrund.
Wagner inspiriert die Maler ebenfalls durch sein zum Kultgegenstand erhobenes Werk. Denn seine Opern sind auch optisch attraktiv. Gestern wie heute stellen sie dem Zuschauer legendäre Landschaften vor: Den Venusberg (Tannhäuser), das Königreich Cornwall (Tristan und Isolde) oder die Tiefen des Rheins (Das Rheingold), die hier von Fantin-Latour dargestellt werden. Der Maler, der 1876 in Bayreuth den Ring sah, nähert sich dem Wagnerschen Werk wie einem Repertoire von Ideen und Themen. Doch über die bloße Illustration hinaus transponiert er seine Erinnerungen an Inszenierungen in lebendige Szenen. Die Musik des Meisters regt Fantin-Latour insbesondere zu einem ambitionierten Projekt an: Es geht darum, „eine Kunst in eine andere zu übersetzen“. „Ich bin der Meinung“, schreibt er, „dass wir uns in der Musik erkennen können. Beim Malen denke ich ständig darüber nach. Ich arbeite ein wenig daran und habe versucht, etwas von dem, was ich empfinde, in meinen Lithographien und kleinen Gemälden zu Berlioz und Wagner zum Ausdruck zu bringen ...“ Dementsprechend erinnert die Bewegung der Rheintöchter, „bald zum Grund, bald in die Höhe“, an den melodischen Aufbau ihres Gesangs in der ersten Szene vom Rheingold. Für Fantin-Latour, wie für die meisten Maler, die sich von Wagners Opern inspirieren lassen, geht es also darum, sich am Wagnerschen Genie zu messen.
Der Wagnerismus: ein durchlässiger Begriff
Durch ihre Verschiedenheit unterstreichen diese drei Werke die diffuse Gemengelage der Strömungen und Gedanken gegenüber dem Wagnerschen Werk um die Zeit der Jahrhundertwende. Das Werk des Meisters wird entsprechend der individuellen Vorlieben zur Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Empfindungen und Denkweisen. Diese „Vielfalt der Blickwinkel“ ermöglicht es ebenfalls, den schwierigen Begriff des Wagnerismus durch den Hinweis auf seine zahlreichen und sehr oft widersprüchlichen Definitionen kritisch zu hinterfragen. Denn der Wagnerismus ist gleichzeitig eine Bewegung zur Verteidigung des Musikers, eine Reflexion über die Einheit der Künste, ein Aushängeschild der künstlerischen Avantgarde, eine politische Ideologie, ein Absolutes und sogar eine Religion.
Annegret FAUSER (dir.), Von Wagner zum Wagnerisme. Musik, Litteratur, Kunst, Politik, >, Leipzig Universität Verlag, 1999 (recueils d’articles en allemand, français et anglais).Léon GUICHARD, La musique et les lettres au temps du wagnérisme, Paris, PUF, 1963.Martine KAHANE et Nicole WILD, Wagner et la France, Paris, Herscher, 1983.Cécile LEBLANC, Wagnérisme et création en France : 1883-1889, Paris, H. Champion, 2005.Timothée PICARD, Wagner : une question européenne : Contribution à une étude du wagnérisme, 1860-2004, Rennes, PU Rennes, 2006.
Marie-Pauline MARTIN, « Das Wagnersche Genie », Histoire par l'image [en ligne], consulté le 03/12/2024. URL : https://histoire-image.org/node/6801
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